SCHÜLERINNEN

Die Bundeswehr hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert, von einer Verteidigungsarmee hin zu einer Armee im Auslandseinsatz. Inzwischen ist es Alltag, dass deutsche Soldat*innen in Afghanistan, im Kosovo oder in Mali agieren. Insgesamt ist die Bundeswehr in zahlreichen Staaten mit insgesamt mehr als 3.000 Soldat*innen im Kriegseinsatz.

Vor 25 Jahren konnte sich das kaum jemand vorstellen.

Immer mehr Menschen lehnen diese Politik ab und immer weniger sind bereit, Soldat*in zu werden und für so genannte „deutsche Interessen“ in den Krieg zu ziehen.

Damit sich das ändert, sollen vor allem junge Menschen davon überzeugt werden, dass Konflikte auf dieser Welt mit militärischer Gewalt gelöst werden können und müssen. Es wird vermittelt, Terrorismus könne man bekämpfen, indem man in Afghanistan Krieg führt und Menschen tötet. Ihr sollt glauben, Piraten am Horn von Afrika könnten militärisch bekämpft werden. Die Regierung und das Militär hoffen darauf, euch ihre Sichtweise auf die Probleme der Welt überzeugend vermitteln zu können. Sie stärken damit eure Angst vor dem Terrorismus, um den Einsatz von Soldaten zu rechtfertigen.

Was sie aber nicht erklären, sind die Ursachen von Konflikten, die die Politik der EU, G7 und NATO wesentlich verursacht: die Folgen des Kolonialismus, die Ungleichverteilung von Reichtum und Chancengleichheit, die wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen der reichen Länder, die Rüstungsexporte etc.

Aber ihr sollt nicht nur von der Richtigkeit dieser Politik überzeugt werden, ihr sollt auch dazu gebracht werden, euch als Soldat/Soldatin zu verpflichten und in den Krieg zu ziehen. Um beides zu erreichen werden Jugendoffiziere (m/w) und Karriereberater*innen an Schulen geschickt.

Jugendoffiziere haben die Aufgabe, über die Politik der Regierung in Bezug auf die Armee zu informieren und sie zu legitimieren. Jugendoffiziere sollen dafür sorgen, dass es in der Bevölkerung die notwendige Zustimmung zu den zunehmenden Auslandseinsätzen gibt.

Karriereberater*innen sind zu direkten Rekrutierung der Jugendlichen da. Sie werben Jugendliche – auch an den Schulen – über die Möglichkeit bei der Bundeswehr, „umsonst zu studieren“, „Karriere zu machen“ und „Kameradschaft zu erleben“. Der im Vertrag festgeschriebene (12monatige) Auslandseinsatz wird verschwiegen oder auch als Abenteuer verkauft.

Jugendoffizieren ist die Werbung an Schulen untersagt. Allerdings wird dies in der Praxis unterlaufen, denn sie arbeiten eng mit den Karriereberater*innen zusammen und geben Anfragen an sie weiter. Schulen werden angeschrieben und beim „Tag der Schulen“ in einer Bundeswehrkaserne treten sie oft gemeinsam auf. So kann der Jugendoffizier für eine grundsätzlich positive Haltung gegenüber der Militärpolitik sorgen und der/die Karriereberater*in gleich diejenigen gewinnen, die für diese Politik dann in den Krieg ziehen.

Was tun?

  • Das Beste wäre natürlich, wenn ihr den Besuch von Jugendoffizieren und Karriereberater*innen an euren Schulen verhindern könnt. Eingeladen werden die Bundeswehrvertreter*innen immer von den Schulen selbst. Nicht von der Schulleitung, sondern in der Regel vom Fachberater/-lehrer für Gemeinschaftskunde/Geschichte.
  • Fordert eure/n Lehrer*in auf, über die Einladung des Jugendoffiziers oder Karriereberater*in in der Klasse zu diskutieren, wenn ihr von der Einladung erfahrt. Erklärt ihnen warum ihr den Besuch von Soldaten*in ablehnt. Stimmt in der Klasse darüber ab, ob die Einladung zurückgenommen werden sollte.
  • Wenn die Mehrheit der Klasse der Einladung dennoch zustimmt, gibt es rechtlich folgende Vorschriften:

Beim Besuch eines Jugendoffiziers ist in Baden-Württemberg die Teilnahme von Schülerinnen und Schülern am Unterricht verpflichtend.

Bei einem Vortrag des/der Karriereberaters*in ist die Teilnahme der Schülerinnen und Schüler freiwillig.

Das wissen einige Lehrer*innen nicht und ihr könnt sie auf den Infodienst Schulleitung vom Juni 2015 hinweisen, wo diese Vorschrift geschrieben steht.

Der/die Soldat*in kommt. Was tun?

  • Kontaktiert Friedens- oder antimilitaristische Gruppen in Eurer Nähe, damit sie euch helfen, auf die Schulleitung und die Lehrer einzuwirken, dass der Besuch abgesagt wird.
  • Informiert eure Mitschüler über den Besuch und erklärt Ihnen, warum ihr nicht wollt, dass die Soldaten an eure Schule kommen. Bezieht die Schüler*innen-Vertretung eurer Schule mit ein.

Wenn die Soldaten nicht wieder ausgeladen werden, könnt ihr den Besuch immer noch verhindern.

  • Sucht euch hierfür Hilfe von außerhalb. Menschen von Friedensgruppen oder antimilitaristischen Gruppen können euch bei Gegenaktionen unterstützen.
  • Mit Hilfe dieser Menschen könnt ihr den Soldaten den Zugang zur Schule erschweren. Organisiert beispielsweise eine Kundgebung vor dem Eingang der Schule.

Unterricht durch Fragen und Argumente mitgestalten

Wenn der Besuch des Jugendoffiziers nicht zu verhindern ist, könnt ihr durch Fragen und Argumente das in den Unterricht einbringen, was euch der Jugendoffizier möglicherweise nicht referiert. Dazu haben wir Euch Texte vorbereitet: „Wenn der Jugendoffizier kommt – Informationen und Fragen bei militärischem Besuch im Schulunterricht“ (Schulfrei Bündnis Fragen und Arghilfen) sowie die dazu ergänzenden „Texte 1-3“ (Schulfrei Bündnis ergänzende Texte 1-3). Diese Texte könnt ihr vorher lesen und in den Unterricht mitbringen, um dann im Unterricht kritische Fragen zu stellen und aus den Texten vor zu lesen.

Wenn ihr keine Menschen habt, die mit euch zusammen Aktionen machen wollen, könnt ihr dem Unterricht an diesem Tag fernbleiben.

  • Ihr meldet euch krank oder
  • Ihr beruft euch auf eure Gewissensfreiheit. (Ob das anerkannt wird, solltet ihr ausprobieren)

Argumente gegen den Besuch der Bundeswehr an eurer Schule

  • Jugendoffiziere informieren im Rahmen schulischer Veranstaltungen über die zur Friedenssicherung möglichen Instrumente der Politik und die dabei zusammenhängenden Aufgaben der Bundeswehr. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Vermittlung von Kenntnissen zur globalen Konfliktverhütung und zur Krisenbewältigung.

Beides Themen, die in der Gesellschaft sehr kontrovers diskutiert werden.

  • Jugendoffiziere sind Angehörige der Armee und können daher nur eine Art der Konfliktursachenforschung und der Konfliktlösungsstrategien präsentieren. Ein Jugendoffizier wird nicht in der Lage sein, Strategien zur Lösung von Konflikten überzeugend darzustellen, die jenseits von militärischer Gewalt existieren. Dies ist besonders deshalb problematisch, weil es bedeutende Teile innerhalb der Gesellschaft gibt, die die Meinung vertreten, dass Militär grundsätzlich nicht in der Lage sein kann, Konflikte zu bearbeiten oder gar zu lösen.
  • Strukturelle Ursachen, wie Ungleichheiten, ein Wirtschaftssystem, das auf der Ausbeutung bestimmter Bevölkerungsgruppen und Regionen beruht, Armut und Kolonialismus sind nur politisch zu lösen und nicht militärisch zu bekämpfen.
  • Auch eine kritische Analyse der Struktur und der Rolle des Militärs in der Gesellschaft ist von einem Jugendoffizier nicht zu erwarten. Dass es sich bei dem Militär um eine hierarchische und antidemokratische Institution handelt und dass Soldaten nicht nur dazu ausgebildet werden Menschen zu töten, sondern auch auf wesentliche Menschenrechte – wie das Recht auf körperliche und physische Unversehrtheit – verzichten müssen, kann ein Armeeangehöriger wohl kaum überzeugend darstellen.
  • Wenn Jugendoffiziere im Unterricht referieren, so stellt das eine Missachtung des Beutelsbacher Konsenses dar. Der Beutelsbacher Konsens von 1976 legt die Mindestanforderungen an die politische Bildung in und außerhalb der Schule fest. Das Überwältigungsverbot beinhaltet, dass Schüler*innen nicht im erwünschten Sinne überrumpelt und damit an der Gewinnung eines selbstständigen Urteils gehindert werden dürfen. Zusätzlich wird mit dem Kontroversitätsgebot festgelegt, dass das, was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, auch im Unterricht kontrovers erscheinen muss.
  • Die Lehrer*innen sind gut ausgebildet und haben im Unterricht die Aufgabe, durch entsprechende Materialien die Kontroversität der Lerninhalte darzustellen, damit sich jede/r eine eigene Meinung bilden kann. Dazu braucht es keinen Jugendoffizier.

Jugendoffiziere und Karriereberater

  • Jugendoffiziere arbeiten – eigenen Angaben zufolge – eng mit Karriereberater*innen zusammen, deren einzige Aufgabe es ist, ausreichend Nachwuchs für die Armee zu rekrutieren. Dabei setzen die Karriereberater*innen auch auf Minderjährige. Jährlich werden 1.000 – 2.000 Minderjährige zur Bundeswehr eingezogen.

Jugendoffiziere dürfen hingegen keine Werbung machen. Allerdings sieht die Kooperation zwischen Jugendoffizier und Karriereberater*in oft so aus, dass Anfragen von Jugendoffizieren an Karriereberater*innen weitergegeben, Schulen gemeinsam angeschrieben werden oder beide gemeinsam auftreten. Letzteres z.B. beim Tag der Schulen in einer Kaserne. Somit rekrutieren Jugendoffiziere zwar nicht selbst, ebnen aber Karriereberater*innen den Weg. Sie müssen daher als Teil der Nachwuchswerbung angesehen werden.

  • Soldat ist kein normaler Beruf. Diejenigen, die meinen, Karriereberater*innen müssten an die Schule kommen, argumentieren häufig damit, dass die Bundeswehr ein normaler Arbeitgeber sei und daher die Jugendlichen über diese Berufsmöglichkeit ebenso wie über jede andere informiert werden müssten.

Jedoch ist der Soldatenberuf kein normaler Beruf. Der Soldat verzichtet mit seinem Eintritt in die Armee auf wesentliche Grundrechte, wie auf das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit und Leben.

Die freie Meinungs- und Willensbildung wird beschränkt, Gehorsamsverweigerung bestraft.

Der Soldat muss das Handwerk des Tötens erlernen, muss gegebenenfalls töten und mit dieser Tat leben. Wer sich bei der Bundeswehr über den freiwilligen Wehrdienst hinaus verpflichtet, verpflichtet sich für den Auslandseinsatz und wird sehr wahrscheinlich auch in diesen geschickt. Viele Soldat*innen kehren traumatisiert aus diesen Einsätzen (Afghanistan, Mali) zurück.

Stand Februar 2020

 

Militärfreie Schulen, wie erreichen?

Folder Schule ohne Bundeswehr

Antrag für ein Schul-Gremium auf Nicht-Zusammenarbeit mit der Bundeswehr, eine Power-Point-Präsentation zur Begründung des Antrags, der zugehörige Vortrags-Text, erfolgreich erprobt in Berlin, zur Anpassung an die jeweiligen Gegebenheiten und zur Weiterentwicklung sind bei unseren Partnern zu finden.


Widerspruch gegen Datenerhebung von Wehrpflichtigen

Mit der Aussetzung des Wehr- und Zivildienstzwangs verbunden ist auch das Ende der Zwangserfassung durch die Meldebehörden für das Militär. Allerdings hat sich die Bundeswehr das Privileg zusichern lassen, weiterhin gratis an die Namen und Anschriften von jungen Menschen zu kommen. Sie musste aber bei der Neuregelung datenschutzrechtliche Standards berücksichtigen. Betroffene können die Datenerhebung grundsätzlich verhindern.

Die allermeisten Städte weisen die Betroffenen nicht einmal auf ihr Recht des Widerspruchs hin. Doch es gibt bereits positive Gegenbeispiele (z.B. Aachen und Dortmund). Zu diesem Thema vernetzen wir uns derzeit bundesweit um gezielter an die Öffentlichkeit gehen zu können. Informationen hierzu geben wir regelmäßig über unseren Newsletter und unsere Homepage weiter. Schon jetzt gibt es die Möglichkeit aktiv zu werden.
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